Bericht aus der IHK "Wirtschaftsreport" 11/16 zum bevorstehenden 25 jährigen Firmen Jubiläum von SMI. Wochenende - Racing-Time. Angespannte Techniker, hochkonzentrierte Fahrer, und aufgeregte Zuschauer an der Rennstrecke. Rennfieber überkommt die Beteiligten, der Adrenalinspiegel steigt. Der Anspruch: Das nächste Rennen schnell und unbeschadet überstehen und die Saison erfolgreich absolvieren. Das Startsignal ertönt und das markant lackierte, getunte RC-Car mit Verbrennungsmotor aus dem Team ORCAN schießt auf dem präparierten, 4,5 Meter breiten, einige hundert Meter langen Rennparcours davon. Von Null auf Hundert in 1,9 Sekunden– damit erzielt es Beschleunigungswerte, die selbst ein Formel 1-Bolide nur mit Mühe verwirklichen kann. Für Bertram Kessler, Prokurist der SMI Modell-Vertriebs GmbH, ist das Erlebnis RC-Car eine Berufung. Denn der Siegener, der Radio- und Fernsehtechniker erlernte und eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann absolvierte, hat sein Hobby zum Beruf gemacht: Er ist vom Rennfahrer und Bastler zum Geschäftsmann avanciert. „Ich liebe schnelle Autos – aber vor allem den Wettbewerb. Das filigrane, höchstpräzise Basteln an Modellautos ist notwendig, denn für mich zählt beruflich und sportlich: „schneller, weiter, höher!“ Auch deshalb gehört das Weidenauer Unternehmen zur Weltspitze, wenn es um den Vertrieb von Ersatzteilen, kompletten Bausätzen oder präzise arbeitenden Motoren mit einem ausgeprägten Netzwerk für Händler und Kunden geht. Und zur Spitze im IHK-Bezirk beim Pro-Kopf-Umsatz in Unternehmen, da das damals vierköpfige Familienteam aus Bertram Kessler, seiner Frau Marina Heinrich, Sohn Mischa Kessler und Tochter Anke Müller im Jahr 2015 genügend Umsatz generiert hat. „Die nächste Generation arbeitet mit genauso viel Enthusiasmus wie ich – deshalb werden wir auch weiterhin neue Geschäftsideen und Innovationen umsetzen“, ist der sechzigjährige Bertram Kessler von der Zukunftsfähigkeit als Nischenanbieter überzeugt. „Wir verkaufen Luxus, Wettbewerb und Spaß – und das mit viel Idealismus, Herzblut und Engagement. Mein Credo: Dauerhaft kann ich nur das gut machen, was wirklich Spaß macht.“ Innovatives Portfolio Seit Anfang 2016 gehört auch Schwiegersohn Thomas Müller zum Team und arbeitet mit in den Räumlichkeiten des ehemaligen Elektrogeschäftes in der Weidenauer Gärtnerstraße. Von hier aus werden tagtäglich unzählige Pakete mit Einzelteilen und Motoren für Kunden in aller Welt und an rund 200 deutsche SMI-Fachhändler versendet. Hunderte kleiner Schütten, übersichtlich angeordnet um einen großen Packtisch in der Raummitte und in den angrenzenden Räumen, enthalten alles, was Modell-Motorsportler benötigen: Zum Beispiel Zahnriemen, Glühkerzen, Luftfilter, Reifen, Chassis aus hochfestem Aluminium/Carbon, Elektro- und Verbrennungsmotoren, Steuerungsmodule mit Stick oder Lenkrad – RC-Equipment im Miniformat. Alles eigene ORCAN Produkte oder von den erstklassigen, slowakischen Zulieferern XRAY und HUDY, mit denen die SMI Modell-Vertriebs GmbH schon seit mehreren Jahren zusammenarbeitet. Im Nachbarraum befindet sich die kleine Werkstatt, in der Modelle und Motoren zusammengesetzt, repariert, gewartet und versand- oder rennfertig gemacht werden. Zum SMI-Portfolio gehören auch spezielle Antriebsmittel, die Bertram Kessler aus chemischen und biologischen Komponenten wie Nitromethan, Methanol, Rizinusöl und oder Synthetiköl in eigener Dosierung herstellen lässt. „Als ich mit dem Modellsport anfing gab es keine effizienten Antriebsmittel, die meinem Anspruch entsprachen, sodass ich selber an der richtigen Zusammensetzung herumexperimentiert habe. Anschließend verkaufte ich diese Gemische an andere Modellsportler, womit der erste Schritt zur Selbstständigkeit getan war. Begonnen habe ich in einer Ecke des elterlichen Geschäftes, 1994 stieg ich bei der Solinger Firma SMI Modell-Vertrieb ein und übernahm diese kurz darauf“, erklärt Bertram Kessler.
	Als er 1977, inspiriert von einem Fachartikel über Modellsport in den USA, mit dem Fahren selbst zusammengebauter Modellautos begann, war dieses Hobby noch sehr exotisch. Auch die Erfolgsgeschichte des RC-Car-Sport in Deutschland steckte noch in den Kinderschuhen. Kessler bestellte sich sein erstes Modellauto in den USA, bastelte mit viel Enthusiasmus daran herum und verbrachte seine freie Zeit mit „Fahrtrainings“ auf den Parkplätzen der Umgebung. „Meinem Spleen für Modellmotoren konnten viele nichts abgewinnen. Aber ich ließ mich nicht beirren und war 1979 Mitbegründer des Deutschen Mini-Car Clubs, Ortsverein Siegen.“ Im Verlauf der vergangenen 40 Jahre gewannen Bertram Kessler und sein ORCAN Team bei den Welt-, Europa- und Deutschen Meisterschaften unzählige Titel. „Der Wettbewerb ist international und eine Gewinnchance im globalen Renngeschehen hat man nur, wenn alle Komponenten stimmen. Dazu gehören ein leistungsstarker Motor, die Antriebsmittel und das Können von Fahrer und Team. RC-Car-Rennen auf internationaler Ebene sind kein Hobby für Einzelgänger, sondern ein Teamsport für Profis, die viel Zeit und viel Geld investieren.“ Eine Rennsaison kostet rund 5.000 bis 10.000 Euro, wovon die Kosten für die Motoren nur ein Drittel ausmachen. Da läuft nichts ohne Sponsoring, erklärt der Prokurist. Noch heute fährt Bertram Kessler Rennen, aber meistens steht er seinen vielen internationalen ORCAN Team Fahrern, darunter der amtierende Weltmeister Alexander Hagberg (25) aus Schweden, als Techniker und Mechaniker mit Rat und Tat zur Seite. Sein SMI-Serviceteam, an Wochenenden immer in Schwarz –Weißen Monturen an irgendeiner Rennstrecke in Deutschland, Europa oder Übersee aktiv, berät aber auch andere Teams zu Innovationen, bietet Ersatzteile an, führt Reparaturen oder Inspektionen durch oder wartet die Rennmodelle diverser Fahrer. „Dieser Service direkt an der Rennstrecke ist kostenlos. Aber er bindet Kunden langfristig an uns und ist gegenüber unseren Mitbewerbern ein echtes Alleinstellungsmerkmal. Ein Motor kostet rund 400 Euro – bei schlechter Wartung macht ein Teil für 2 Cent alles zunichte. Das ist ein überzeugendes Argument für regelmäßige Inspektionen“, erzählt Kessler. Alleinstellungsmerkmale hat auch die von ihm entwickelte und vertriebene Tankpistole – zur sekundenschnellen, hochprofessionellen Hochdruck-Befüllung der rasanten Verbrennungsmotoren, „denn bei den langen, einstündigen Finalrennen und zehnminütigen Qualifikations-Rennen, etwa in USA oder Italien, müssen Tankstopps eingelegt werden.“ Taschen mit gesticktem ORCAN Aufdruck für das feinmechanische Werkzeug sowie besondere Motor-Pflegemittel gehören ebenfalls zum SMI-Portfolio. In 50 Ländern zu Hause Kleine RC-Car Modelle – großer Sport! RC-Cars werden in 50 Ländern der Welt gefahren – in den USA und Italien werden die Rennen auf den ausgedehnten Strecken sogar im Fernsehen übertragen. Die vielen Rennstrecken in Deutschland haben meist Fußballfeldgröße. Von April bis Oktober werden Rennen mit den mehr als 100 Stundenkilometer schnellen Verbrennungsmotoren auf Außenstrecken gefahren, die Elektro-Motor-Flitzer werden ganzjährig in Hallen gefahren. Qualifiziert wird sich in Landes-, Europa- und Weltmeisterschaften, die SMI-Heimstrecke liegt in Marburg-Kirchhain. „Die Deutschen Rennsportler sind im Laufe der Zeit in allen Klassen mindestens einmal Weltmeister geworden – dank Gründlichkeit, Professionalität und Präzision im Umgang mit der Technik“, weiß Bertram Kessler aus langer Erfahrung. Denn: 50 Prozent des Erfolges liegen beim Fahrer, die anderen 50 Prozent hängen von der Technik, dem Motortuning, dem Können, der Konzentration der Mechaniker und einem funktionierenden Team, etwa bei Tankstopps, ab. Für Familie Kessler steht fest: „Der Adrenalinspiegel schießt beim Modellsport richtig hoch und man muss nicht im Auto sitzen, um mit Haut und Haaren dabei zu sein.“ So verwundert es nicht, dass auch Motorsport-Profis wie Valentino Rossi (Motorrad) sowie Frank Biela und Mike Rockefeller (DTM) gerne mal ihr großes gegen ein kleines Rennauto tauschen. „Der Wettbewerb fasziniert auch nach 40 Jahren immer wieder“, so Kessler. In Italien herrscht besondere Modellsport-Euphorie – von hier bezieht SMI auch seine Verbrennungsmotoren, die anschließend bei MH Motortuning in der Nähe von Coburg fachgerecht getunt werden. Langjährig setzt Bertram Kessler auf diese Zusammenarbeit, die Erfahrung, das Know-how und das unbedingte Fingerspitzengefühl von Schwager Michael Heinrich. Er tunt die RC-Car-Motoren des italienischen Herstellers Nova Rossi zu leistungsstarken Unikaten auf, auch um 50 Prozent Treibstoff zu sparen. „Rund 110 Profifahrer mischen im Welt-Modell-Motorsport erfolgreich mit und 30 der besten Fahrer der Welt bevorzugen bestens getunte ORCAN Modelle.“ 15 Klassen umfasst der RC-Car-Sport, darunter Formel-, Touren-, Gelände- und Rennwagen – Hightech-Modelle im Maßstab 1:8 und 1:10. SMI hält für alle diese Klassen sämtliche Teile zum Versand und zur Reparatur bereit, und versendet sie an die rund 5000 organisierten Rennsport-Begeisterten, die sich offiziell an Rennen beteiligen sowie an ungezählte Kunden, die keinem Verband angehören.
	Berufung und Passion 2014 wurde das ORCAN Team mit Profifahrer Alexander Hagberg Weltmeister in Bangkok, 2016 gilt es diesen Titel in Gubbio, Italien zu verteidigen. Deshalb verbrachten Kessler und Hagberg im Frühjahr rund fünf Wochen auf einer italienischen Rennstrecke. „Für mich ist jedes Rennen hoch spannend“, beschreibt der Motorsportbegeisterte seine Motivation. An der Rennstrecke herrscht Camping- und Festivalatmosphäre, das genießen wir seit Jahrzehnten mit der ganzen Familie. Und ab und zu machen wir auch einen Abstecher in die Berge zum Bergsteigen oder Klettern.“ Für Tochter Anke Müller, selbst begeisterte RC-Car-Fahrerin und 2001 Deutsche Jugendmeisterin, ist der Rennsport Familienaktivität: „Unser Leben hat einen ganz eigenen Rhythmus, den wir schon als Kinder genossen haben. Während andere schwimmen gingen, sind wir mit der ganzen Familie zum Rennen gefahren. Wir lieben alle den Wettbewerb – das ist Berufung und Passion“, sind sich Mischa Kessler und Anke Müller einig. Müller weiter: „Ich habe selbst eine achtjährige Tochter – und die fiebert schon genauso mit bei jedem Rennen, wie ich als Kind.“ Jody, die dritte Renn-Generation im Hause Kessler, bestreitet bereits selbst Jugendrennen – mit eigenem Racing-Modell in rosa-weißer Sternchen-Lackierung. Nachwuchs-Förderung wird im ORCAN Team ernst genommen, nicht erst seitdem Enkelin Jody mitmischt. „Junge Leute lassen sich schnell begeistern von diesem Sport. Auch weil es eine der wenigen Sportarten ist, die Eltern und Kinder gemeinsam machen können. Das fördern wir, um weiterhin Nachwuchs zu generieren.“ asv